"Sündenfall" und Erlösung mal anders betrachtet: Von der Einlösung (der Freiheit) zur Erlösung (von Verantwortung)

17.06.2013 23:21

Im Alten Testament der Bibel gibt es die Erzählung vom Paradiesgarten, in den die ersten Menschen gesetzt worden sind mit der Auflage, von allen Früchten des Gartens essen zu dürfen bis auf die Früchte des Baumes in der Mitte des Gartens, dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Durch den Ungehorsam der Menschen und die Übertretung dieses Gebotes kam der Überlieferung nach die Sünde in die Welt, sie wurden des Gartens verwiesen und mussten von da an ein Leben der Entbehrungen, Schmerzen und der harten Arbeit führen. Diese Bürde überträgt sich seither auf alle Generationen bis zur Ankunft des "neuen Adam", der die Menschheit wieder mit Gott versöhnt und ein Gottesreich des Friedens und der Gerechtigkeit verkündet.

Die Möglichkeit zur Übertretung des Gebotes Gottes hat Gott selbst den Menschen durch die Gabe des freien Willens geschenkt. Nun meinen einige Theologen und Geistliche, dass es sich bei der Gehorsamsverweigerung der ersten Menschen Gott gegenüber um einen Missbrauch der gottgegebenen Freiheit handelt, da diese Entscheidung zur Entfernung der Menschen von Gott führt und dies nicht im Sinne Gottes sein kann.

Ich erlaube mir hier, inspiriert durch wieder andere Theologen, darüber anders zu denken. Sollte es sich nämlich um einen Missbrauch der gottgegebenen Freiheit gehandelt haben, Gottes Gebot bewusst zu übertreten, so wäre den Menschen die Freiheit nur dazu gegeben worden, um sich aus freien Stücken dazu zu entscheiden, Gottes Gebote zu achten und einzuhalten. Sich dagegen aus Freiheit anders zu entscheiden und Gottes Gebote nicht zu befolgen wäre damit als Missbrauch der Freiheit zu werten.

Was aber bedeutet Freiheit, wenn es nur eine Alternative zur Einlösung der Freiheit gäbe, nämlich Gott zu gehorchen? Es müsste doch zumindest zwei Alternativen geben, nämlich sich für oder gegen etwas zu entscheiden, denn jede Entscheidung gegen eine Sache ist automatisch eine Entscheidung für eine andere Sache und umgekehrt. Von Missbrauch kann hier nicht die Rede sein, denn wenn Freiheit wahrhaftig gemeint ist, so ist deren Einlösung für oder gegen eine Sache wertfrei zu betrachten. Im Besonderen gilt dies für die gottgegebene Freiheit, denn Gott ist nicht daran interessiert, bloß Ja-Sager/innen um sich zu haben, sondern echte Menschen mit eigenem Willen zur Verantwortung für ihr Leben und Handeln.

Auf diesem Hintergrund könnte die Erzählung vom Paradiesgarten anders lauten: Gott gab den Menschen die Möglichkeit, ein sorgenfreies und unbeschwertes Leben als Gottes Kinder in Gottes Garten zu führen oder aber ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, Verantwortung zu übernehmen und Leben in scheinbarer Getrenntheit von Gott zu führen, um der Erfahrung des Getrenntseins von Gott willen, das de facto niemals real besteht, da uns nichts von Gott trennen kann und es auf diese Weise wahrlich keine Alternative zu Gott gibt.

Gott gibt uns mit dem freien Willen somit ein unglaubliches Geschenk mit auf den Weg, nämlich die Erfahrung zu machen, getrennt von Gott zu sein und unser Leben in Eigengestaltung zu verwirklichen, solange wir dies möchten. Sollten wir dann wieder genug haben von der Last der Eigenverantwortung, können wir uns in Freiheit wieder davon erlösen lassen und als Gottes Kinder mit Gott in Gottes Paradiesgarten leben.