Scheitern - eine der Grunderfahrungen des Lebens

18.07.2013 22:43

Eben komme ich von einer Veranstaltung im Rahmen der Interreligiösen Konferenz 2013 in Graz. Prof. Kuschel sprach zum Thema Weltreligionen und Weltethos im Zeitalter der Globalisierung. Im Laufe des Diskussionsteils nach dem Vortrag meldete ich mich mit einer Frage zu Wort. Ich erzählte davon, dass ich im Zuge einer Lehrveranstaltung dieses Jahres Prof. Othmar Fuchs kennenlernen konnte, und dass dieser das Projekt Weltethos, das von Prof. Hans Küng ins Leben gerufen wurde, als gescheitert beurteilt hat, unter anderem deshalb, weil es zu elitär, abgehoben und theoretisch sei. Meine Frage an Prof. Kuschel lautete, wie er einer solchen Kritik, die er vermutlich bereits kenne, begegne.

Prof. Kuschel konnte mit dieser Kritik wenig anfangen, da sie zu pauschal formuliert sei. Mit einer solchen Kritik seien auch andere Konzepte wie etwa die Bergpredigt im Matthäusevangelium zum Scheitern verurteilt. Angesichts der von ihm in seinem Vortrag angesprochenen ökonomischen und gesellschaftlichen Krisenphänomene der letzten Jahre sei es mehr denn je notwendig, an einem gemeinsamen Weltethos zu arbeiten, denn als Alternative dazu bleibe lediglich eine Haltung getragen von Zynismus.

Kuschels Vergleich mit der Bergpredigt hat mir im Zuge seiner Ausführungen zu denken gegeben. Es ist nicht das erste Mal, dass mir der Gedanke des Scheiterns im Zusammenhang mit der Gestalt des Jesus von Nazareth begegnet. Liest man beispielsweise das Markusevangelium ohne den später hinzugefügten Auferstehungsteil, so kann man das Leben Jesu mit seinem gewaltsamen Tod am Kreuz nach menschlichen Kriterien als gescheitert beurteilen. Ebenso kann man wohl Mahatma Gandhi (der ebenfalls in Kuschels Vortrag Erwähnung fand) als gescheitert betrachten. Er hat Indien zwar erfolgreich zur Unabhängigkeit von Großbritannien geführt, fand allerdings letztlich auch einen gewaltsamen Tod. Darüber hinaus war es ihm nicht gelungen, Hindus und Muslime auf lange Sicht zu einem friedlichen Zusammenleben zu bewegen.

Angesichts der weitreichenden Wirkungsgeschichte, die ihren Ausgangspunkt mit Gestalten wie Jesus von Nazareth, Mahatma Gandhi und anderen nach menschlichen Maßstäben gescheiterten Persönlichkeiten nahm, erscheint mir der Begriff des Scheiterns als nicht mehr ganz so negativ, wie er mir durch dessen Grundbedeutung ursprünglich erschien. Dieser Gedanke vermag mir Trost zu spenden, wenn ich meine ganz persönliche Geschichte des Scheiterns betrachte. 

Wie geht es Ihnen damit?