Mormonen - freundliche Religionsgemeinschaft mit Mission, besonderen Regeln und ökumenischem Aufholbedarf

10.12.2013 03:20

Vergangenen Sommer war ich mit meiner Freundin und deren Kindern in den USA unterwegs. Im Zuge unseres Road-Trips, der uns über mehr als 5000 km von Chicago nach Los Angeles brachte, machten wir unter anderem in Independence im Bundesstaat Missouri und in Salt Lake City, der Hauptstadt des Bundesstaates Utah, Halt. Beide Orte haben mit einer besonderen Religionsgemeinschaft zu tun, der "Church of Jesus Christ of Latter Day Saints", zu deutsch "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage", kurz "Mormonen" genannt.

Independence ist jener Ort, an dem von den Mormonen bis heute die Rückkehr Jesu Christi erwartet wird, um das Reich Gottes auf Erden zu vollenden. Diese Überzeugung teilen die Mormonen mit einer weiteren Religionsgemeinschaft, die aus dem Erbe Joseph Smiths hervorging: Die "Community of Christ", ehemals "Renewed Church of Jesus Christ of Latter Day Saints" hat ihren Sitz und einen sehenswerten modernen Tempel in Independence.

Im Gegensatz zu den Mormonen, deren Tempel von Nicht-Mormonen nicht betreten werden darf, öffnet die Community of Christ die Pforten ihres Tempels für alle Interessierten. Zudem sind sie an Gesprächen mit anderen christlichen Gemeinschaften interessiert und stellen ihre Kirchengebäude jenen Gemeinschaften zur Verfügung, welche keine eigenen Versammlungsstätten besitzen.

Die Mormonen dagegen gehen traditionell davon aus, dass Gott Joseph Smith einst erwählt hat, die Kirche Jesu Christi auf Erden wiederherzustellen, die die damals etablierten Kirchen auf Abwege geraten ließen. Als Nachkommen der 10 versprengten Stämme Israels, die gemäß dem Buch "Mormon" auf Umwegen nach Amerika gelangten, pflegen sie Gewohnheiten, die zum Teil dem Alten Testament entnommen sind und aus ihrer Sicht durch Offenbarungen an den jeweils amtierenden Propheten an der Spitze der Gemeinschaft bestätigt werden. Dazu gehört beispielsweise die Ausübung der Polygamie, die bis zur Aufnahme des Bundesstaates Utah ins Gefüge der USA praktiziert wurde. Des Weiteren gehören dazu Verbote diverser Genussmittel, die dem Körper schaden können. Eines dieser Verbote verhalf uns zu einer kuriosen Begebenheit im Tempelbezirk von Salt Lake City.

Wir hatten an diesem Tag noch nicht zu Mittag gegessen und so entschlossen wir uns, im Café des Gebäudes zur Erinnerung an den Kirchengründer Joseph Smith unser Glück zu versuchen. Was das Mittagessen betraf hatten wir auch Erfolg, und wir wurden an der Selbstbedienungstheke bestens betreut. Im Anschluss an das Essen wollte sich meine Freundin noch einen Kaffee genehmigen, musste allerdings erstaunt feststellen, dass die dafür vorgesehene Maschine allerlei Getränke zur Verfügung stellte, nur keinen Kaffee. Neugierig geworden fragte ich einen der Bediensteten an der Kasse, warum es denn in diesem Café keinen Kaffee zu kaufen gibt. Der junge Mann nahm die Frage freundlich lächelnd entgegen und erklärte mir, dass den Mormonen einige Genussmittel verboten seien, nämlich Alkohol, Tabak, schwarzer Tee und eben Kaffee. Er höre diese Frage aber des öfteren und finde es selbst amüsant, in einem Café keinen Kaffee anzubieten, aber so sei es nun einmal.

Obgleich es ihm und den seinen also untersagt ist, dem Kaffegenuss nachzugehen war er doch so freundlich uns auf die nächste Möglichkeit hinzuweisen, eine Tasse Kaffee zu erwerben, und zwar gleich auf der anderen Straßenseite - außerhalb des Tempelbezirks.

Diese und ähnliche Regeln des alltäglichen Lebens, die ich selber als Einschränkung meiner persönlichen Willensfreiheit empfinden würde scheinen auf andere Menschen hingegen attraktiv zu wirken, weshalb die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage nicht nur in den USA, sondern auch international erfolgreich agiert und Mitglieder gewinnt. Dabei sind es sicher nicht nur diese Regeln, die so manchem Sicherheitsbedürfnis entgegen kommen werden, die die Gemeinschaft der Mormonen so attraktiv macht, sondern unter anderem auch deren schon erwähnte Freundlichkeit. So eifrig sie nämlich in die Mission gehen und begeistert von ihrem Glauben erzählen, so gleichzeitig unaufdringlich agieren sie im Zuge dieser Missionstätigkeit.

Davon konnten meine Freundin und ich uns überzeugen, als wir, schon wieder in Graz weilend, Besuch von zwei jungen Missionaren in Anzügen mit Krawatten und Namensschildern bekamen. So begeistert sie von ihrem persönlichen Glauben erzählten, so wenig versuchten sie, uns von eben diesem Glauben zu überzeugen. Das gemeinsame Gebet zum Abschluss unserer Begegnung empfand ich als schönes Beispiel gemeinsamen Betens trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte und Zugänge zu Gott. Ein Ansatz zu mehr Ökumenismus wäre damit schon gegeben, wenn auch die Mormonen selbst dies nicht so sehen werden, da sie davon ausgehen, die einzig legitime Kirche Jesu Christi zu sein. Wie aber das Sprichwort schon sagt, welches Christinnen und Christen jeglicher Konfession wohl unterstreichen können: Die Hoffnung stirbt zuletzt...!